Der Qur'an – das gnadenreiche Buch

Der Heilige Qur'an ist die heilige Schrift des Islam. Sie ist Gottes wörtliche Offenbarung an den Propheten Muhammad (s.), dem der gesamte Heilige Qur'an in einer einzigen Nacht, der Nacht der Bestimmung, in sein Herz geschrieben wurde. Später wurde der Text in einem Zeitraum von fast 20 Jahren als "Lesung", was die Bedeutung von "Qur'an" ist, durch den Engel Gabriel (a.) vom Herzen des Propheten Muhammad (s.) auf seine Zunge gebracht. Der Heilige Qur'an besteht aus 114 Suren, wovon 113 mit der Basmala beginnen. Sie fehlt vor Sure 9 (Buße), erscheint aber ein zweites Mal in Ayat (Vers) 27:30, so dass sie dennoch 114 Mal vorkommt. Jede Sure besteht aus einer unterschiedlichen Anzahl von Ayat, den insgesamt 6236 Versen. Um eine gleichmäßige Verlesung während des Monats Ramadan und bei anderen Gelegenheiten zu ermöglichen, wurde der Heilige Qur'an in 30 gleichlange Teile, den Dschuz, aufgeteilt. Eine andere Aufteilung in sieben gleich lange Manzil ermöglicht das Lesen in einer Woche. Die erste Offenbarung markiert die Veröffentlichung der Verse an die Menschheit. Der Heilige Qur'an ist die geschriebene Offenbarung, während die Ahl-ul-Bait (a.) die gelebte Offenbarung ist. Beide Offenbarungen sind für alle Zukunft aneinandergekoppelt, und beide sind ohne die andere nur unzureichend zu verstehen.

Der Heilige Qur'an wurde von den Gefährten des Propheten Muhammad (s.) von Anfang an schriftlich festgehalten, zunächst als Sammlungen von losen Blättern auf unterschiedlichen Datenträgern des Heiligen Qur'an. Zusätzlich gab es immer eine ganze Reihe von Muslimen, die den bis dahin vorhandenen Text komplett auswendig beherrschten. Vor dem Ableben des Propheten Muhammad (s.) war die Schriftsammlung abgeschlossen. Imam Ali (a.) verbrachte das erste halbe Jahr nach dem Ableben des Propheten Muhammad (s.) damit, die lose Blattsammlung in Form eines gebundenen Buches [mushaf] zusammen zu fügen. Dabei erstellte er zwei Versionen: Die erste Version ist die Anordnung der Verse in der heute vorliegenden Form. Sie ist die authentische Form, an die alle Muslime glauben. Die zweite Version war eine Zusammenstellung der Verse in der Reihenfolge der Offenbarung, da die Verse in der authentischen Version nicht in Offenbarungsreihenfolge angeordnet sind und bei manchen Versen der Offenbarungszeitpunkt strittig ist. Diese lediglich in der Anordnung der Verse unterschiedliche Version liegt den Muslimen heute nicht mehr vor. Schiiten glauben, dass diese als Mushaf Ali bekannte Version bei Imam Mahdi (a.) ist, als eines der Insignien seiner Wahrhaftigkeit. Die Reihenfolge der Offenbarung [wahy] der Verse ist Gegenstand der Forschung zur Chronologie der Ayat.

In den meisten Geschichtswerken wird die erste "offiziell" gebundene Version in die Zeit des Kalifen Uthman ibn Affan, nach manchen auch schon unter dem Kalifen Umar ibn Chattab, gelegt. Die Zusammenstellung Imam Alis (a.) war aber lange davor fertig. Damals hatte die arabische Schrift noch keine Vokalzeichen und keine Punkte, durch die in der heutigen arabischen Schrift gleich aussehende Konsonanten unterschieden werden. Deshalb war das mündliche Beherrschen des Textes wichtig, und die Schriftform diente vor allem als Gedächtnishilfe. Mindestens fünf Abschriften wurden versandt, je eine nach Mekka, Kufa, Basra, Damaskus und eine blieb in Medina. Sie dienten als Vorlage für weitere Abschriften. Die Lesung des Heiligen Qu'ran in Form des Tartil (betonte Rezitation), wobei die Leseregeln des Qur'an [tadschwid] besonders beachtet werden, gilt als besondere Kunst.

Der Qur'an war die Basis für die immense damalige Entwicklung der Wissenschaft in der islamischen Weltgemeinschaft, welche alle bekannten Wissenschaftsgebiete umfasste und die größten Wissenschaftler der Zeit hervorbrachte. Die kurzen Suren des Heiligen Qur'an werden im arabischen Original schon heranwachsenden, muslimischen Kindern beigebracht, da sie Bestandteil des Ritualgebets sind. Die besondere Wertschätzung, die der Heilige Qur'an unter Muslimen genießt, drückt sich auch dadurch aus, dass die Berührung mit ritueller Reinheit sich vor allem auch auf die Buchstaben des Heiligen Qur'ans erstreckt. Das Studium des Textes und insbesondere das Nachdenken darüber gilt als besonders wertvoller Gottesdienst. Dazu gehört auch das Studium der Auslegungen, wie z.B. al-Mizan, eine der bekanntesten und umfangreichsten zeitgenössischen Auslegung [tafsir]. Seit seiner Offenbarung gab und gibt es immer eine große Zahl von Muslimen, die den Heiligen Qur'an komplett und wortwörtlich auswendig konnten bzw. können. Sie werden Hafidh (Bewahrende) genannt. Viele Muslime beherrschen den Heiligen Qur'an zumindest teilweise, auch jene, die der arabischen Sprache nicht mächtig sind. Beim Auswendiglernen kommt dem Lernenden die besondere Reimform und der Rhythmus der Ayat erleichternd zugute, wenn er die Leseregeln beachtet. 

Inzwischen liegt der Heilige Qur'an auch in Übersetzungen in fast allen Sprachen vor. Die erste Übersetzung erfolgte ins Persische und wurde von Prophet Muhammad (s.) selbst in Auftrag gegeben an seinen Gefährten, den persischsprachigen Salman al-Farsi. Eine "perfekte" Übersetzung des Heiligen Qur'an gilt allerdings als unmöglich, da jede Übersetzung zugleich eine Interpretation beinhaltet. Daher wird das Studium des Heiligen Qur'an im arabischen Originaltext bevorzugt. Insbesondere die besonderen Stilelemente des Heiligen Qu'ran können zumeist nur im Arabischen erkannt werden. Der Heilige Qur'an besitzt nach muslimischer Vorstellung die Eigenschaft der Unnachahmlichkeit [idschaz]. Der erste - wenn auch extrem fehlerhafte - Druck des Heilige Qur'an erfolgte 1537/1538 durch Alessandro Paganini. Die ersten Qur'an-Übersetzungen ins Deutsche erfolgten indirekt aus dem Latein 1543 n.Chr.. Die erste deutsche Übersetzung direkt aus dem Arabischen stammt von 1772 n.Chr.. Inzwischen gibt es mindestens 35 verschiedene Übersetzungen. Als sehr wortgetreue Übersetzung gilt diejenige des libanesischen Christen Khoury. Der Einzige, der jemals versucht hat, bei der Übersetzung den Reimklang mit zu übertragen, war Friedrich Rückert. Die Übersetzung ist allerdings nicht vollständig.

Für Goethe war der Heilige Qur'an ein Buch, „das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt.“ Muslime ehren den Heiligen Qur'an unter anderem dadurch, dass sie nie etwas darauf stellen und ihn küssen, wenn sie ihn in die Hand nehmen. Damit soll die besondere Nähe und Liebe zu dem Wort Gottes seinen äußeren Ausdruck finden. Der zu seiner Zeit größte handgeschriebene Qur'an wurde 2012 in der Islamischen Republik Iran vorgestellt. Kurze Zeit später wurde er übertroffen vom weltgrößten Qu'ran in Afghanistan.